„Nein, aus dieser Tasse trinke ich nicht!“ – Hygiene in der Kälberfütterung
9. Oktober 2025 — Immunisierung, Kälbermanagement — #Biestmilch #CanWash #EimiWash #FlushMaster #Hygiene #Management #TränkeeimerOb dreckige Kaffeetasse, Biestmilchkanne oder Kälbereimer – wir würden alle sofort sagen:
„Nein, aus dieser Tasse trinke ich nicht, solange sie so schmutzig ist!“
Doch genau das passiert in vielen Betrieben täglich mit unseren Kälbern. Tränkeeimer und Milchkannen werden oft nicht so gründlich gereinigt, wie es nötig wäre. Das Ergebnis: Neugeborene Tiere bekommen Milch, die bereits stark verkeimt ist.
Gerade in den ersten Lebenstagen ist das fatal. Denn Kälber brauchen jede Energie für das Wachstum und den Immunaufbau – nicht für die Abwehr unnötiger Keime.
In diesem Artikel geht es um
Warum ist Hygiene bei Kälbern so wichtig?
- Neugeborene Kälber sind extrem anfällig gegenüber Krankheitserregern.
- Sie kommen ohne Immunsystem auf die Welt.
- Jeder Keimkontakt bedeutet Stress für das Immunsystem.
- Energie, die für die Keimabwehr verwendet wird, fehlt beim Wachstum.
➞ Sauberkeit ist deshalb kein Luxus, sondern eine Grundvoraussetzung für gesunde Kälber!
Forschung zeigt: So schnell steigt die Keimzahl!
Eine Untersuchung an der FH Südwestfalen hat schon vor einigen Jahren gezeigt, wie dramatisch die Keimbelastung von Kolostrum ansteigen kann. Direkt aus dem Euter ist die Milch mit ca. 800 KbE/ml vergleichsweise sauber. In der Biestmilchkanne steigt die Anzahl bereits auf 320.000 KbE/ml! Dies entspricht einem Faktor von 400. Am Ende wurden im Nuckeleimer 600.000 KbE/ml gefunden – also fast das 800-Fache vom Anfangswert.

- Direkt aus dem Euter: ca. 800 KbE/ml – sehr keimarm.
- In der Biestmilchkanne: bis zu 320.000 KbE/ml – Faktor 400!
- Im Transportbehälter: bis zu 3.200.000 KbE/ml – nochmals das 10-Fache!
- Im Nuckeleimer: bis zu 600.000 KbE/ml – fast Faktor 800!
Und noch Schlimmeres: In den Behältern tauchten plötzlich Kolibakterien und Enterokokken auf. Die kommen nicht aus der Milch, sondern sind Zeichen von Fäkalienrückständen. Ein deutliches Zeichen für mangelnde Reinigung von Transportbehältern und Eimern.
Das Problem: Diese Keime blockieren die Aufnahme von Antikörpern (Immunglobulinen) im Darm. Außerdem bekämpfen die Antikörper diese Keime. Dadurch gelangen weniger IgGs ins Blut und das Kalb hat später eine schlechtere Immunität.
Typische Schwachstellen im Stall

- Tränkeeimer & Nuckel: Werden oft nur grob gespült, weil es sehr aufwendig ist.
- Milchkannen: Werden für verschiedene Milcharten genutzt (Biestmilch, zellhaltige und antibiotikahaltige Milch).
- Separationseimer im Melkroboter: Stehen ungekühlt und offen – ideale Brutstätten.
- MilchTaxis: Reinigung wird aufgeschoben oder unvollständig durchgeführt.
Praxistipps für mehr Hygiene
1. Klare Strukturen schaffen.
- Unterschiedliche Farben für die Milchkannen im Melkstand. Zum Beispiel:
- Grün für wertvolle Biestmilch,
- Gelb für zellhaltige Milch, die nach dem Pasteurisieren verfüttert werden kann und
- Rot für antibiotikahaltige Milch, die verworfen wird.
2. Technik nutzen, statt Bürsten schwingen.
- MilchTaxis mit Spülfunktion (FlushMaster): Mit einer Spüldüse, wie in der Gastronomie, können Eimer gespült werden. Doch Achtung, die Reinigungslösung wird mit der Zeit schlechter und das Ergebnis bleibt suboptimal.
- Milchkannen mit dem CanWash im Melkstand reinigen.
- Nuckel und Ventile: Regelmäßig demontieren und im MilchTaxi mit dem normalen Reinigungsprogramm spülen.
- Eimerwaschmaschinen (z. B. EimiWash): Reinigen 4 Eimer inklusive der Nuckel in nur 2 Minuten – bis zu 100 Stück pro Stunde.

3. Pasteurisierung der Milch
- Das Pasteurisieren der Milch ist ebenfalls eine sinnvolle Hygienemaßnahme. Wenn die Vollmilch Keime enthält, können diese durch die Pasteurisierung abgetötet werden und somit eine Erregerübertragung auf das Kalb unterbunden werden. Mehr zum Thema Pasteurisierung finden Sie im nachfolgenden Link.
Mehr als nur Eimer: Personal- und Stallhygiene
Doch Hygiene hört nicht beim Eimer auf. Auch wir Menschen tragen Keime in den Kälberstall. In der Geflügel- und Schweinehaltung sind Hygieneschleusen bereits Standard. Warum also nicht auch beim Kalb?

Mögliche Maßnahmen:
- Schuhe wechseln oder desinfizieren (Desinfektionswannen aufstellen).
- Saubere Kleidung tragen (gegebenenfalls andere Overalls im Kälberstall verwenden).
- Handschuhe tragen – und am besten in unterschiedlichen Farben: Schwarz fürs Melken, Blau für die Kälber. So merkt man sofort, wenn etwas durcheinandergerät.
Kälberhütten richtig reinigen
Ganz zum Schluss noch ein Wort zur Reinigung der Kälberhütten und -buchten.
Der Hochdruckreiniger ist Segen und Fluch zugleich. Im Kälberstall angewandt, löst er nicht nur den Dreck von den Böden und Wänden – nein, er verteilt ihn mit seinem Sprühnebel auch noch quer durch den ganzen Stall.

Besser ist folgende Reinigungsroutine:
- Sie benötigen einen Waschplatz für die Kälberhütten! Die Hütten sollten nicht im Stall oder neben anderen Kälbern gereinigt werden, sondern auf einem freien Platz.
- Zunächst die Oberflächen (Boden und Wände) besenrein entmisten und reinigen.
- Die gesamte Oberfläche der Hütten mit Reinigungsmittel einschäumen.
- Das Reinigungsmittel 30 Minuten einwirken lassen. In dieser Zeit lösen sich Schmutz, Keime und Oozysten der Kryptosporidien.
- Mit wenig Druck (am besten mit einem Wasserschlauch) den Schaum und den gelösten Dreck abwaschen.
- Letztlich noch einmal mit dem Hochdruckreiniger die Reste lösen. Der Sprühnebel ist jetzt fast nicht mehr kontaminiert.
- Die Hütten vollständig trocknen lassen, denn nur auf trockenen Oberflächen kann das Desinfektionsmittel optimal wirken.
- Dann das Desinfektionsmittel entsprechend der Konzentrationsempfehlung des Herstellers und mit ausreichender Menge auftragen. Oftmals sind die Oberflächen dann schon wieder triefend nass!
Realistische Erwartungen
Eine sterile Klinik-Umgebung ist im Kälberstall weder realistisch noch sinnvoll. Kälber sollten sich mit den Keimen des Hofes auseinandersetzen – aber bitte nur in Maßen.
Stellen Sie sich daher selbst folgende Fragen:
- Würde ich diese Milch trinken?
- Würde ich aus diesem Eimer trinken?
- Würde ich mich mit diesen Händen und Schuhen an den Esstisch setzen?
- Würde ich mich in diese Box zum Schlafen legen?
Wenn Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten können, sind Sie auf dem richtigen Weg.
Die größte Herausforderung ist nun für jede Verantwortliche und jeden Verantwortlichen, die Hygienemaßnahmen im Betriebsteam auch umzusetzen. Denn selbst der beste Hygieneplan funktioniert nicht, wenn nur eine oder einer aus dem Team dagegen verstößt.
Fazit: Hygiene lohnt sich
Saubere Eimer, Kannen und Fütterungssysteme sind eine Investition in gesunde und leistungsfähige Kälber.
- Weniger Krankheiten,
- Mehr Wachstum und
- Ein angenehmerer Arbeitsplatz.
Tipp: Hören Sie sich auch unsere Podcast-Folge zu diesem Thema an:
Beratung für alle Kundinnen und Kunden aus Schleswig-Holstein
Für Landwirtinnen und Landwirte in Schleswig-Holstein bietet die Firma Holm & Laue Milchhygiene besondere Beratungsdienste zu allen Hygienefragen rund um Kuh und Kalb.