Vorteile der Paar- und Gruppenhaltung

20. November 2025 — TwinHousing, Wissenschaft#Gruppenhaltung #Minigruppe #Paar
Gemeinsame Kälberaufzucht steigert Tierwohl und Milchleistung. Warum Paar- und Gruppenhaltung für Kälber und Landwirte Vorteile bringen, erfahren Sie hier.

Die Frage nach der optimalen Kälberaufzucht wird in Praxis und Wissenschaft seit Jahren intensiv diskutiert. Besonders der Vergleich zwischen Einzelhaltung, Paarhaltung und Gruppenhaltung steht im Fokus. Neue Studien zeigen: Eine soziale Haltung von Kälbern – etwa in Paaren oder Kleingruppen – wirkt sich sowohl kurzfristig als auch langfristig positiv auf die Gesundheit, das Verhalten und die Leistung der Tiere aus. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung einer Veröffentlichung von Dr. Jason Hayer, Hofgut Neumühle.

Traditionelle Kälberhaltung: Einzelhaltung als Standard

In Deutschland ist es nach wie vor üblich, dass Kälber kurz nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt und zunächst einzeln gehalten werden. Erst nach zwei bis drei Wochen werden sie in kleinen Gruppen gehalten. Im internationalen Vergleich zeigen sich deutliche Unterschiede:

Während die Kälber in Irland, Spanien und Griechenland von Beginn an in Gruppen aufwachsen, verbringen die Kälber in den USA die gesamte Tränkephase in Einzelhaltung. Unter natürlichen Bedingungen würden Kälber allerdings von Anfang an im sozialen Verbund mit Artgenossen und Mutterkühen aufwachsen.

Vorteile der sozialen Kälberaufzucht

Wie bei Menschen und anderen Tieren ist die erste Lebensphase äußerst prägend. Der soziale Kontakt wirkt sich positiv auf verschiedene Aspekte der Tiergesundheit, des Verhaltens und der Leistung aus. Auch wissenschaftliche Studien belegen, dass Kälber in Paar- oder Gruppenhaltung zahlreiche kurzfristige Vorteile gegenüber einzeln gehaltenen Tieren haben:

  • Höhere Futter- und Wasseraufnahme, vor und nach dem Absetzen.
  • Bessere tägliche Zunahmen.
  • Weniger Stress und Angst in neuen Situationen.
  • Bessere Stresstoleranz bei Umstallung, beim Absetzen oder bei schmerzhaften Eingriffen.
  • Höhere kognitive Fähigkeiten – Kälber aus Paarhaltung lernen schneller und passen sich besser an Veränderungen an.

Fazit: Kälber, die sozial aufgezogen werden, sind robuster, neugieriger und stressresistenter.

Unterschiede in der geistigen Entwicklung

Eine Erklärung dafür liefern Studien zur geistigen Entwicklung von Kälbern. In diesen Studien wurden Kälber aus Einzel- und Paarhaltung speziellen Tests unterzogen, um ihre kognitiven Fähigkeiten zu bewerten. Kälber aus Einzel- und Paarhaltung lernten anfangs gleich schnell. Bei der Umstellung im Umkehrlerntest (siehe Grafik) zeigten jedoch sozialisierte Kälber aus der Paarhaltung eine deutlich bessere Anpassungsfähigkeit, was auf eine höhere geistige Entwicklung und eine bessere Bewältigung neuer Situationen hinweist.

Langfristige Effekte: Mehr Milchleistung und gesündere Kühe

Die Vorteile enden nicht im Kälberalter. Auch langfristig zeigt die soziale Kälberaufzucht positive Effekte. Versuche, die den Einfluss der Kälberaufzucht auf die zukünftige Lebensleistung untersuchen, sind langwierig und daher nicht besonders häufig. Aber aus den vorliegenden Untersuchungen zeigen sich folgende Trends:

  • Höhere Milchleistung: Kühe aus Paarhaltung zeigten in der ersten Laktation eine tendenziell höhere Milchleistung.
  • Weniger Fruchtbarkeitsprobleme und eine höhere Überlebensrate bis zur ersten Laktation.
  • Aktiveres Verhalten als Färsen: Tiere aus Paarhaltung waren neugieriger, bewegungsfreudiger und weniger ängstlich. Sie verbrachten mehr Zeit mit der Futteraufnahme – auch bei hoher Stallbelegung.
  • Bessere Integration: Weniger Meidungsverhalten gegenüber Artgenossen, stärkere soziale Bindungen und höhere Durchsetzungskraft.

Tierwohl und Wirtschaftlichkeit: Ein Gewinn für alle

Eine soziale Kälberhaltung ist nicht nur gut für die Tiere, sondern auch für die Betriebe:

  • Arbeits- und platzeffizienter als Einzelhaltung.
  • Stressresistente Kälber erleichtern das Management insbesondere beim Einsatz von Technologie, an die sich die Tiere immer wieder neu anpassen müssen (Tränketechnik, Fütterungsroboter, automatische Melksysteme etc.).
  • Zukünftige gesetzliche Herausforderungen: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) rät, Einzelhaltung möglichst zu vermeiden.

Damit ist klar: Paar- und Gruppenhaltung sind ein zukunftsfähiges Modell, das Tierwohl und Wirtschaftlichkeit verbindet.

Fazit: Kälber gemeinsam aufziehen lohnt sich

Die Ergebnisse sind eindeutig: Sozial aufgezogene Kälber entwickeln sich besser, sind weniger ängstlich und leisten später mehr. Davon profitieren das Tierwohl, die Milchleistung sowie die Landwirtinnen und Landwirte gleichermaßen.

Wer sich mit Kälberaufzucht beschäftigt, sollte die Paar- und Gruppenhaltung ernsthaft in Betracht ziehen – die Wissenschaft zeigt: Gemeinsam aufwachsen macht stark.

Um Wissenslücken in diesem Bereich zu schließen, führt das Hofgut Neumühle gemeinsam mit weiteren Partnern das BMEL-geförderte Projekt „Kalbzu2t“ durch. Ein Ziel des Projekts ist der Vergleich unterschiedlicher Haltungsformen (Einzel-, Paar- und Kleingruppenhaltung) in den ersten 28 Lebenstagen und die Untersuchung ihrer Auswirkungen auf die spätere Leistung als Milchkuh beziehungsweise Mastrind.

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